Donnerstag, 5. März 2009

What Is Slumdog Millionaire? Ein Nachruf von Anant Kumar

What Is Slumdog Millionaire?
Ein Nachruf von Anant Kumar

1. Ein mit 8-fachem Oscar prämierter Film von Danny Boyle, von dem britischen Regisseur

Es ist über ein Jahrzehnt her, dass ich im Kasseler Staatstheater mit meinem Studienkollegen Dirk Eckart der Premiere des europäischen Tanzfestivals beiwohnte. In seiner Eröffnungsrede sagte der Staatsrepräsentant des britschen Königreichs eindeutig irritiert, wahrscheinlich auch verärgert, etwa: „...Die Wahl sei nicht die des britischen Staates beziehungsweise der Regierung. Sondern die Jurymitglieder der Tanz- und Musikeinrichtungen Englands haben diese Entscheidung getroffen!“ Aber er begrüße herzlich, gratulierend, die Tanztruppe und ihre Choreographin, deren Eltern aus Srilanka nach England emigrierten.“ Das stimmte jedoch nicht, und die junge, dynamische Frau regte sich nach der Aufführung über den Irrtum auf. Sie korrigierte den Fehler des Staatsmannes im Foyer: Ihre Eltern kamen aus Südindien. Das Stück, ihre Kompostion, war eine moderne, indisch-europäische Aufarbeitung einer altindischen Legende im indischen Tanzstil mit einigen Streichern. Also, schon mehr oder weniger indisch.

In Slumdog wird das unmittelbare Indien mit indischen Darstellern von einem britischen Filmemacher dargestellt. Wer solle da mit dem erweiternden Blickwinkel, der erweiternden Ästhetik Probleme haben?!

2. Zwei Oscars für den „beatlastigen“ , indischen Musikproduzenten, A. R. Rahman

In den allerletzten, spannenden Abenden stellte das klassikradio.de sämtliche nominierten Filme aller Sparten vor. So wurde auch die Musik der besten sechs Nominierungen vorgestellt, und die Hörer wurden gebeten, über ihre Favoriten abzustimmen. Ich wurde aufmerksam, als das indische Sozialmärchen mit dem Namen des indischen Musikgiganten vorkam. Die beiden „Herren“ Moderatoren, verkündigten einstimmig in ihrer ansprechenden jedoch souveränen Radiostimme ihre Meinung über die Musik des Inders: „Zu beatlastig!“ Es wurden alle sechs Filmstücke der Reihe nach gesendet, und es wurde telefonisch abgestimmt. Die Moderatoren teilten den Hörern das Resultat euphorisch mit, etwa: „...Es gibt 2 klare Gewinner! Es gibt 2, die klar in der Mitte sind! Und es gibt 2 klare Verlierer!“ Die Kompostion des „beatlastigen“ Inders befand sich im klaren Verliererbereich.

Meine Beweggründe für die Bewunderung des Rahman bestehen aus seiner Genialität, und noch mehr aus seiner Persönlichkeit. Der mittelgroße Mann mit Megaidol-Status im indischen Subkontinent, der auf seine langjährige, emsige Laufbahn zurückblickt, tritt äußerst einfach auf bei unzähligen Preisverleihungen, und er redet leise, wenig, dankend-rührend... Als Junge wuchs er in bescheidenen Verhältnissen auf, und sehr fleißig verfolgte er seine musikalische Ausbildung in der ganzen Welt. Der mit Oscar preisgekrönte Song des Slumdogs, den der gläubige und praktizierende Muslim aus Südindien komponiert hat, lautet: „Jai Ho!!!“ Es ist der alltägliche Ausruf der Hindus und auch aller anderen gläubigen Inder zur Ehrung der Götter, Göttinnen ...des Allmächtigen, zum Beispiel: „Jai Ho Kali Mai Ki!/Es gelte und bleibe nur die ewige, immense Größe der Göttin Kali!“

3. Bollywood versus sozialkritsche Kinos

Die Zeitungen machten mich nochmals auf diese Kluft aufmerksam: Da die Inder hauptsächlich kitschige Bollywood-Filme mögen, konnte dieses sozialkritische Märchen aus den Slums Bombays nicht in großen Leinwandkinos gezeigt werden. Das stimmt auch – halbwegs, weil der Film durch und durch auch eine Bollywood-Produktion ist. Das wurde sogar bei der Preisverleihung in L.A. hervorgehoben, etwa: „...Damit werden auch zwei gigantische Filmgrößen der Welt geehrt, nämlich Bollywood und Hollywood.“ Die Darsteller sind die Stars aus Bollywood und die Bewohner des Mumbai-Slums. Und nicht zuletzt der Musikdirektor, der seit Jahren als Kaiser der zeitgenössischen Bollywoodmusik gilt. Jener, dessen „beatlastiger“-Song auch im klassikradio.de vom Moderator vorgestellt wurde.:-)
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Anant Kumar ist ein deutschsprachiger Schriftsteller indischer Herkunft. Er verfasste 12 Bücher (Erzählungen, Essays, Gedichte, Satiren, Reportagen, Kinderbücher... Roman) Er lebt und arbeitet in Kassel. www.anant-kumar.de

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